Bettenpreiskampf im europäischen Mittelfeld
Nächtigungsrekorde beflügeln den Wiener Hotelmarkt – in der ersten Jahreshälfte eröffneten fünf neue Hotels. Aber nicht alle Kategorien profitieren Wiener Touristiker können sich freuen: Folgt man den einschlägigen Zahlen, verbucht die Bundeshauptstadt wieder einen Rekord an Nächtigungen. 5,7 Millionen waren es im ersten Halbjahr 2013. Das bedeutet ein Plus von drei Prozent oder 196.325 Nächtigungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Zehnjahresvergleich konnten die Nächtigungen in allen Monaten der ersten Jahreshälfte um mindestens 41 bis maximal 60 Prozent gesteigert werden. „Wien hat sich in den letzten zehn Jahren zu einer echten Ganzjahresdestination entwickelt. Vor allem in den schwächeren Monaten Jänner und Februar gab es überdurchschnittliche Zuwächse“, erklärt Matthias Hautli, Geschäftsführer des Wiener Hotel- und Tourismusberatungsunternehmens Kohl & Partner. 2850 neue Betten im Halbjahr Mit den Wachstumsraten kämen allerdings auch Herausforderungen auf die Stadt zu: „Sollte sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzen, wird Wien buchstäblich aus allen Nähten platzen“, sagt Hautli und meint vor allem, dass es sich bei Sehenswürdigkeiten und in der Innenstadt stauen könnte – und damit weniger einen Mangel an Hotelbetten: Denn in der ersten Jahreshälfte eröffneten fünf neue Hotels mit rund 1200 Zimmern und insgesamt 2850 Betten. Darunter namhafte Projekte wie das Palais Hansen Kempinski oder das kürzlich erweiterte 25hours Hotel. Auch am neuen Hauptbahnhof öffneten die ersten Hotels. Verteilt über alle Kategorien werden neun neue Hotels ihren Betrieb aufnehmen und das Angebot um zusätzliche 1050 Zimmer erweitern. In den Jahren von 2003 bis 2012 hat sich die Beherbergungskapazität am Wiener Markt um ein Drittel – das sind etwa 75.000 Betten – erhöht. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von rund drei Prozent. In der gleichen Zeit sind die Nächtigungen um circa 54,2 Prozent gestiegen. Vorsichtige Skepsis „Die starke Nachfrage kann momentan die steigenden Kapazitäten noch bedienen, auch wenn nicht alle Kategorien gleichermaßen profitieren“, sagt Hautli auf Basis einer im Haus angestellten Hochrechnung. „Um die Auslastung auf dem aktuellen Niveau halten zu können, müssen aber bis 2014 die Übernachtungen im Vergleich zu 2012 um rund zehn Prozent auf 13,4 Millionen gesteigert werden.“ Dies entspreche absolut etwa 1,2 Millionen zusätzlichen Nächtigungen. Skeptisch äußerten sich dazu bereits die Experten von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC) Anfang 2013. Sie gingen für Wien von einer Zimmerauslastung von 70,4 Prozent für dieses Jahr und einem Wachstum der Erlöse pro verfügbares Zimmer um 0,4 Prozent aus. „Insgesamt weht den Hoteliers in Europa der Wind durch die anhaltende Krise schärfer ins Gesicht“, analysierte Wolfgang Vejdovsky, Leiter der Real-Estate-Abteilung von PWC. Zusätzliche Gäste nötig Hoteliers müssten es nun schaffen, bestehende Kunden an sich zu binden, in den Preisvergleichen von Online-Portalen zu bestehen und zusätzliche Gäste aus den sogenannten Emerging Markets für sich zu gewinnen. Bei den Durchschnittspreisen liegt Wien, so die Berechnungen von MRP Hotels, im Europavergleich bloß im europäischen Mittelfeld. Allerdings scheint die Datenlage je nach Quelle zu variieren: So reduzierten sich die Preise pro Übernachtung laut Buchungsportal HRS 2012 um 0,24 Prozent. SRT Global wiederum meldete, dass die Preise um 3,9 Prozent zugelegt hätten. Zieht man die aus betriebswirtschaftlicher Sicht deutlich wichtigere Kombination aus Auslastung und Durchschnittspreis heran, bewegt sich Wien allerdings im guten ersten Drittel der europäischen Tourismusmetropolen. Preiskampf geht weiter Die Österreichische Hoteliersvereinigung (ÖHV) jedenfalls sieht ein rasant wachsendes Zimmerangebot und abstürzende Preise. Vor allem für den Drei- bis Vier-Sterne-Bereich sei dies fatal, warnte Elfi Maier von Revenue Focus, einem auf Umsatzoptimierung für Hotels spezialisierten Beratungsunternehmen. Oberste Priorität sei daher, das Preisniveau zu halten und dabei auch neue Vertriebskanäle zu nutzen: Hotelbetreiber sollten Gäste über die eigene Website ködern, sagte sie. Als Königsdisziplin sieht Maier zudem die langfristige Positionierung – also raus aus dem Einheitsbrei und authentische Angebote entwickeln. Sicher sei, heißt es bei Kohl & Partner, dass durch neue Kapazitäten der Preiskampf bestehen bleibt. Das ist europaweit zu spüren. Denn: „Trotz guter Wachstumsraten bei der Nachfrage kämpft man auch in Metropolen wie zum Beispiel Berlin mit einem stark wachsenden Angebot und einem dadurch verschärften Preiskampf“, wie Hautli feststellt. „Berlin und Wien weisen einen sehr hohen Anteil an Leisure-Touristen auf, die traditionell preissensibler sind.“ (Markus Böhm, DER STANDARD, 10./11.8.2013) – derstandard.at/1375626135844/Bettenpreiskampf-im-europaeischen-Mittelfeld