Eine Schönheitskur für die Ungeliebten
Bürobauten aus der wenig attraktiven Ära der 50er- bis 80er-Jahre wieder marktreif zu machen erfordert viel Detailarbeit. Doch der Aufwand kann sich lohnen Es gilt als Wahrzeichen der sogenannten Nachkriegsmoderne, das 26-stöckige, 96 Meter hohe Dreischeibenhaus in Düsseldorf. Im 53. Bestandsjahr ist nun die dritte und bisher umfassendste Renovierung im Gange. Der Kauf des markanten Gebäudes mit exklusiver Innenstadtlage, auf dessen 30.000 Quadratmetern Bürofläche bislang die ThyssenKrupp AG ihr Hauptquartier hatte, war einer Deutsche-Bank-Tochter 100 Millionen Euro wert. Diese hat an eine Investorengruppe weiterverkauft, die wiederum 230 Millionen Euro in die Renovierung steckt. Experten sehen bei derartigen Generalsanierungen, was die Neuvermietung betrifft, jedoch ein gewisses Risiko. „Von Mietinteressenten werden moderne Neubaubüros deutlich bevorzugt“, meint etwa Marcel Abel vom Branchenanalysten Jones Lang LaSalle. Standort wichtiger als Zustand Ein in historischen Gesichtspunkten ähnlich gelagerter Fall ist das Philips-Haus am Wienerberg in Wien-Favoriten. Für das Anfang der Sechzigerjahre errichtete Architekturmonument wird von einem Investor derzeit die optimale Neuausrichtung geprüft. „Stärken und Schwächen sowie Potenziale wurden nun zur weiteren Positionierung des Objektes bewertet“, erklärt Christian Lanjus-Wellenburg, Geschäftsführer des Eigentümers CEBA Invest Management GmbH. Dass für solche Fälle ein passendes Konzept aufgesetzt gehört, darin sind sich Immobilienprofis einig. Der Gebäudezustand sei dabei nicht einmal der wichtigste Faktor. Es geht wieder einmal um den Standort. „Sinnvollerweise wird nur dort weiter investiert, wo ein Erfolg zu erwarten ist“, meint Martin Roth, Bewertungsspezialist und Geschäftsführer der IRG, und gibt zu bedenken: „Im Schnitt werden Bürogebäude nur 32 Jahre bis zum Abriss beziehungsweise bis zur Generalsanierung genutzt.“ Die technische Restnutzungsdauer eines Gebäudes sei zwar zwei- bis dreimal so lang, doch diese falle aus Marktgründen nicht ins Gewicht. Energiebedarf stark reduziert Und so versucht man, wo man eine Generalsanierung durchführen muss, aus der Not eine Tugend zu machen und die Umweltstandards nicht nur anzupassen, sondern deutlich über Niveau anzuheben. „Unser zentrales Anliegen war die Nachhaltigkeit, etwa die Optimierung der künftigen Betriebskosten“, sagt Ralph Bezjak, Head of Developments Commercial der Immofinanz-Gruppe, zum aktuell in Vermarktung befindlichen Bureau am Belvedere (siehe unteres Foto). Dabei handelt es sich um einen einst nicht besonders hübschen Bau, der dank Aussichtsterrasse und neuer Donaukalksteinfassade aufgewertet wurde. Ein anderer Fall ist ein zehnstöckiges Bestandsobjekt auf den ehemaligen Siemens-Gründen in Wien-Landstraße. Das zweckmäßig gestaltete Bürogebäude wurde drei Jahre lang kernsaniert, Zertifizierung inklusive (siehe Visualisierung). Zusätzlich zum Innenumbau wurden die Fassaden isoliert und mit Aluminium verkleidet. Auf diese Weise konnte der Energiebedarf um 55 Prozent reduziert werden. Eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach soll zusätzlichen Strom liefern. Was derart aufwändig an den Premiummarkt angepasst wird, braucht auch einen attraktiven Namen. Und so heißt das von der CA Immo AG entwickelte Projekt nun Silbermöwe. Revitalisierung vor Sanierung „Eine solche Generalsanierung schlägt mit etwa 30 bis 40 Prozent der Kosten eines Neubaus zu Buche“, erklärt Roth. Dank des deutlichen Kostenvorteils gegenüber Abriss und Neubau könne man auch in zentralen Lagen entsprechend günstig anbieten. Nicht nur in der Vermarktung und in der niedrigeren finanziellen Belastung für den Mieter, auch in der Nutzungsvielfalt könne ein Hausumbau punkten – vorausgesetzt, man denkt weit genug in die Zukunft. „Im Unterschied zur klassischen Sanierung bringt eine Revitalisierung neue, zukunftsorientierte Nutzungskonzepte mit sich“, sagt Karl Friedl, Geschäftsführer beim Bürokonzeptentwickler M.O.O.Con. Zwei erfolgreiche Beispiele dafür sind die Renovierungen der Arbeiterkammergebäude in Wien und Linz, im Zuge deren unter anderem moderne, offene Kundenzonen geschaffen wurden, ohne dabei das denkmalgeschützte Ornament zu schwächen. „Bei diesen beiden Projekten haben wir den Spagat zwischen ökologischer Nachhaltigkeit, Denkmalschutz und Wirtschaftlichkeit geschafft“, meint Franz Molterer, Bauherrenvertreter bei der AK Oberösterreich. „Nutzerwünsche verständlich machen“ Hermann Schnell von Tecno Office Consult, Experte für Bürokonzepte, erklärt, worauf es bei den neuen Nutzungskonzepten ankommt: „Die Nutzerwünsche müssen in qualifizierter Weise in die Planung eingebracht und den Nutzern entsprechend verständlich gemacht werden.“ Die architektonische Qualität der Bürobauten der Moderne habe wenig Erklärungsbedarf. Sie könne ruhig für sich selbst sprechen. Und was das Dreischeibenhaus in Düsseldorf betrifft: Die 230-Millionen-Sanierung der ehemaligen ThyssenKrupp-Zentrale scheint sich ausgezahlt zu haben. Ein paar Monate vor Fertigstellung sind bereits mehr als fünfzig Prozent der Fläche wiedervermietet. (Peter Matzanetz, DER STANDARD, 17./18.8.2013) – derstandard.at/1376533761631/Eine-Schoenheitskur-fuer-die-Ungeliebten